
Rede: Rolle von Religionen in der Entwicklungszusammenarbeit
Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag zur Stärkung der Kirchen für ihren Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit in den Bundestag eingebracht. In meiner Rede habe ich darauf hingewiesen, dass ihr Antrag viel zu undifferenziert ist, um die Rolle von Religionen in der EZ ausreichend zu würdigen und kritisch zu hinterfragen. Hier mein Redetext (es gilt das gesprochene Wort):
Anrede,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion,
Sie sprechen mir Ihrem Antrag ein wichtiges Thema an. Schade, dass er hierbei viel zu kurz greift und im Forderungsteil kalten Kaffee bietet.
Es ist ja richtig, dass – wie Sie schreiben – religiöse Akteure bei Abwesenheit des Staates, oder in Kriegs- und Konfliktlagen enorm wichtig sind. Ebenso stimmt es, dass Hilfswerke der evangelischen und katholischen Kirche einen wichtigen Beitrag in der Entwicklungszusammenarbeit leisten. Aber übrigens nicht nur sie. Immerhin gibt es mit Islamic Relief eine bedeutende große Hilfsorganisation aus der islamischen Religionsgemeinschaft, die sich bei Aktion Deutschland Hilft, VENRO usw. engagiert.
Auch erkennen Sie in Ihrem Antrag die Ambivalenz von Religionen an. Religionen werden in vielen Regionen unserer Erde instrumentalisiert. So bereiten in Ghana und Uganda Freiprediger durch ihre Hetze gegen queere Menschen das Feld, um durch Gesetz verordnete Diskriminierungen gesellschaftsfähig zu machen. Und beim Blick auf die Umtriebe der Evangelikalen in Brasilien oder die USA läuft es mir kalt den Rücken runter.
Zwei der Kernprobleme von Religionen sind ihr Allmachtsanspruch und ihr Sendungsbewusstsein. Daraus resultieren viele Konflikte, die wir selbst dort haben, wo Religionen nicht zwangsläufig zur Machtabsicherung missbraucht werden.
Umso so bedeutender ist es, dass wir bei Projekten der Entwicklungszusammenarbeit und der Friedensarbeit die religiösen Partner identifizieren, die sich einem friedlichen Miteinander verschrieben haben. Und das geht dann weit über das hinaus, was Sie in Ihrem Antrag beschreiben.
Beispiel indigene Völker. Auch sie haben religiös begründete Rituale und Lebensweisen.
Heiner Bielefeldt und Volker von Bremen haben dies in ihrem Gutachten zur Erstellung des 3. Berichts der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit gut beschrieben. Indigene Spiritualität und Religiosität, so heißt es dort, lässt sich in der Förderpolitik nicht auf einen umgrenzten „Sektor Religion“ limitieren, in dessen Rahmen partnerschaftliche Zusammenarbeit mit religiösen Akteuren und Institutionen gestaltet wird.
Indigene Spiritualität ist in allen Lebensbereichen präsent, schreiben sie, auch dort, wo es um vermeintlich rein technische, ökonomische oder organisatorische Fragen geht. Das muss Folgen haben für alle Programme, die die Interessen der indigenen Völker berühren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Umstände, unter denen Indigene Völker weltweit „christianisiert“ wurden, sind alles andere als zivilisiert. In einem Antrag über die Rolle von Religionen gehört deshalb zwingend die deutsche und europäische Kolonialvergangenheit, die Missionstätigkeit und die damit verbundenen dunklen Kapitel bis hin zu den Folgen, die noch heute wirken.
Und nicht zuletzt: Vergessen wir nicht die Menschen, die frei sind von Religionen. Es darf nicht sein, dass Menschen diskriminiert werden, weil sie sich nicht zu einem Glauben bekennen, weil sie sich nicht Ritualen unterwerfen, die mit Religion begründet werden. Auch Menschen, die nicht an die Existenz eines Gottes oder eines Propheten glauben, haben das Recht, sich frei entfalten zu können.
Ich habe das deutliche Gefühl, dass es diesen Antrag so nicht braucht, weil er zu dünn ist. Am Ende tut die Bundesregierung von dem, was Sie da fordern, ohnehin schon vieles oder alles. Das wird die Beratung im Ausschuss dann schon zeigen.