Rede: Antrag „Zeitenwende“ der CDU/CSU

Rede: Antrag „Zeitenwende“ der CDU/CSU

Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag im Plenum beraten lassen, in dem sie „eine echte Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“ fordern. Neben unserer Außenpolitischen Sprecherin Deborah Düring habe ich mich in einer Rede zum engen Sicherheitsbegriff geäußert, den die Unionsfraktion ihrem Antrag zugrunde legt. Hier der Redetext (es gilt das gesprochene Wort):

Anrede,

Ja, der Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, ist eine Bedrohung, die es so seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat.

Und ja, diese Bedrohung erfordert eine Zeitenwende in Hinblick auf die Stärkung unserer eigenen Wehrhaftigkeit, allen voran die Bundeswehr.

Ja, wir müssen die Ukraine massiv dabei unterstützen, dass sie sich effektiv gegen die unvorstellbaren Verbrechen der russischen Angreifer wehren, dass sie ihre territoriale Souveränität verteidigen kann.
Und: nein, dies allein ist nicht die Zeitenwende.

Mit mehr Munition und Panzern allein rüsten wir uns

  • nicht gegen Cyberangriffe,
  • nicht gegen Fakenews russischer Trollfabriken;
  • nicht gegen Einschüchterungen
  • oder gegen die menschenverachtende Praxis, Geflüchtete gezielt an unsere Außengrenzen zu verfrachten, um unsere Gesellschaften zu destabilisieren.

Mit mehr Rüstungsausgaben, der Streichung von Zivilklauseln oder dem Schutz unserer kritischen Infrastruktur allein werden wir weder unserer Rolle gerecht, die wir als eine der größten Volkswirtschaften tragen, noch den Erwartungen, die Staaten weltweit an uns richten.

Meine Damen und Herren,

Ihre Zeitenwende ist genauso verengt wie Ihr Sicherheitsbegriff. Wir machen einen riesigen Fehler, wenn wir Sicherheitsdebatten auf das Militärische reduzieren.

Ihr Ansatz führt dazu, dass wir in die Debatte reinkommen, die wir nicht wollen. Nämlich, das Militärische sei notwendig, und Entwicklungszusammenarbeit sei nice-to-have. So ist es aber eben nicht.

Unsere Sicherheit ist auch bedroht durch Armut, Hunger und Krankheiten in der Welt. Wäre der Jemen ein funktionierender Staat, dann müssten wir diese Woche nicht über einen Militäreinsatz im Roten Meer reden. Klar, heute ist es zu spät. Heftige Kriege, allen voran Angriffskriege, lösen wir nicht mit den Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit oder der Krisenprävention.

Was wir tun müssen, ist, uns dafür einzusetzen, dass es erst gar nicht so weit kommt! Überall dort, wo es eine Auseinandersetzung um Ressourcen gibt, entstehen die Krisen, die im schlimmsten Fall in einem Krieg münden.

Entwicklungszusammenarbeit, die Stärkung der Frauen weltweit, Pandemiebekämpfung, Mediation zur Lösung von Konflikten, Traumaarbeit, die Überwindung der Klimakrise – die Liste ist lang.
Unsere Sicherheit hängt auch fundamental davon ab, dass wir eine multilaterale funktionierende Weltgemeinschaft haben. Wir brauchen weltweit Partner, die uns vertrauen und denen wir vertrauen können.

Dies alles ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine strategische Notwendigkeit.

Schade, dass Ihr Antrag all dies auslässt.