Orstrats-Neujahrsempfänge

Orstrats-Neujahrsempfänge

Wie jedes Jahr wurden die MdB in Hildesheim auch in diesem Jahr zu zahlreichen Neujahrsempfängen der Hildesheimer Orsträte eingeladen. Beim Empfang des Ortsrats Einum durfte ich ein Grußwort halten, das ich gerne hier teile:

Lieber Herr Bauermeister,
liebe Mitglieder des Ortsrates,
sehr geehrte Damen und Herren

vielen Dank für die Einladung zum diesjährigen Neujahrsempfang!

Nur Stunden, nachdem bekannt wurde, dass Jürgen Trittin sein Mandat abgibt, hat mich die Einladung erreicht. Du warst sehr schnell, Benedikt! Es war also schnell klar, dass dies einer meiner ersten Termine im Wahlkreis sein wird.

Benedikt hat mir berichtet, dass die Zusammenarbeit im Ortsrat harmonisch ist. Das ist in einer Zeit, wo man den Eindruck hat, dass alle wie ein wilder Hühnerhaufen umherlaufen und aufeinander schimpfen, Balsam für die Politikerseele.

Bitte unterschätzen Sie das nicht. Nehmen Sie es bitte nicht für selbstverständlich, dass man in einem politischen Gremium harmonisch miteinander umgeht. Pflegen Sie das! Demokratie ist anstrengend.
Der deutsche Philosoph Oskar Negt aus Hannover hat mal gesagt, „Demokratie ist die einzige Staatsform, die gelernt werden muss“. Und ich füge hinzu: man kann sie auch verlernen. Es ist nicht wie Fahrradfahren. Das verlernt man nicht. Es ist eher wie eine Sprache, die kann man verlernen.

Deshalb ist es so ungemein wichtig, dass wir in unseren Schulen über Demokratie reden, was Demokratie ausmacht, wie man sie lebt. Auch nach der Schule, in der Erwachsenenbildung, ist politische Bildung wichtig. Vereine sind wichtig. Demokratie erschöpft sich nicht im Wählen von Parlamenten.

Demokratie muss von den Menschen gelebt werden. Wenn man aus Protest eine Partei wählt, die die Demokratie einschränken will, dann hat man bereits selbst die Demokratie aufgegeben.
Das Ehrenamt vor Ort, auch hier in Einum, ist Teil unserer Demokratie. Der Chor, der Förderverein, die Freiwillige Feuerwehr, der SV, der Musikzug – und viele mehr – sind die Zutaten, die es braucht.
Es gibt im Landtag wie auch im Bundestag Kolleginnen und Kollegen, die sich die Aufgabe gegeben haben, sich für das Ehrenamt einzusetzen.

Im Bundestag gibt es sogar einen eigenen Unterausschuss hierfür. Wen es interessiert, schauen Sie im Internet bei Bundestag und Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement nach.
Doch Demokratie ist keine einfache Staatsform. Was wir uns immer wieder in Erinnerung rufen müssen, ist, dass Demokratie auch bedeutet, sich auseinandersetzen zu müssen. Miteinander reden und akzeptieren, dass jemand anderes eine andere Meinung haben könnte.

Demokratie heißt, sich mit unterschiedlichen Interessen auseinandersetzen zu müssen. Und das Recht auf Meinungsfreiheit lässt uns hier einen weiten Spielraum, sich mit den Ansichten der jeweils anderen auseinandersetzen zu können.

Aber niemand darf für sich beanspruchen, dass seine eigene Meinung sakrosankt sei. Vor 10 Tagen, zum Auftakt der ersten Sitzungswoche dieses Jahres, zitierte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ihren Vorgänger, den an Weihnachten verstorbenen Wolfgang Schäuble. Er bezeichnete in einer Rede 2017 die Abgeordneten als Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes. Und er fügte hinzu: „Aber niemand vertritt allein das Volk.“
Genau das tun aber die vom rechten Rand der politischen Gesellschaft. Und das ist das Gefährliche an deren Politik: sie akzeptieren nicht, dass es andere Meinungen gibt. Hätten diese Leute das Sagen, dann mache ich mir Sorgen um die Unabhängigkeit der Gerichte. Dann fürchte ich, dass per Gesetz bestimmt wird, was Zeitungen schreiben dürfen und was nicht.

Ich kenne die Reden der sog. AfD im Bundestag – mal subtiler, mal ganz offen werden dort demokratische Errungenschaften lächerlich gemacht oder gar deren Abschaffung gefordert.
Deswegen ist es so beeindruckend, dass jetzt mittlerweile Millionen Menschen deutschlandweit auf die Straße gehen und sagen, stopp. Ihr seid nicht das Volk. Eine Politik, die ihr wollt, wollen wir nicht. Auch das ist Balsam für meine Politikerseele – ein Zeichen, dass die große Mehrheit unserer Gesellschaft nicht bereit ist, Neo-Faschisten, Rassisten und Demokratieverächtern das Feld zu überlassen!
Nun bin ich mal gespannt, wie sich in Berlin die Ampel von innen zeigt. Ich habe jetzt ja erst zwei Wochen miterlebt. Und wie ich es schon in der Opposition vor 4 Jahren erlebt habe, so deutet es sich für mich schon jetzt an: in meinem eigenen Facharbeitskreis, der Entwicklungspolitik, werde ich wunderbar mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD und FDP zurechtkommen.

Wir sind nicht in allem einer Meinung. Warum auch? Wir sind nicht ohne Grund in drei verschiedenen Parteien. Aber wir pflegen einen guten Umgangston, zu manchen sogar freundschaftlich. Ich glaube, das ist die Grundlage, auf die auch innerhalb der anderen Facharbeitskreise gearbeitet wird. Schwieriger wird es dann, wenn übergeordnete Interessen ins Spiel kommen, vor allem dann, wenn es ums Geld geht.

Jetzt komme ich hier heute in einen Ort, den man gut und gerne als den ländlichen Raum bezeichnen darf, und habe noch nichts zu Traktoren gesagt. Aber keine Sorge, ich beginne keinen neuen Redebeitrag. Ich habe gar nichts gegen Traktoren auf der Straße, die zu Demo-Zwecke eingesetzt werden. Es ist das gute Recht der Bauern, zu protestieren., auch wenn ich nicht verstehe, warum es da so sehr gegen die Ampel geht. Denn die Landwirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte hat ja die Union gestaltet.

Aber so ist das mit der Meinung. Sie dürfen das so sagen und ich darf sagen, dass ich das nicht richtig finde. Und dann setzt man sich an den Tisch und schaut, wo liegt denn wirklich das Problem.
In diesem Sinne freue ich mich noch auf die eine oder andere Unterhaltung heute. Ich kann Ihnen gerne erzählen, was Entwicklungspolitik wirklich macht und warum diese auch für unser Land wichtig ist. Und Sie erzählen mir, was die Landwirte wirklich brauchen.

Ihnen allen wünsche ich in diesem Jahr vor allem Gesundheit! Aber auch, dass vieles von dem, was Sie sich wünschen, in Erfüllung gehen möge!

Vielen Dank fürs Zuhören!