Koloniale Kontinuitäten abbauen

Koloniale Kontinuitäten abbauen

Im Gespräch mit OvaHerero-Chiefs im Osten Namibias.

Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat sich auf den Weg begeben, koloniale Kontinuitäten in der Entwicklungszusammenarbeit abzubauen. Das begrüße ich ausdrücklich. Andererseits weiß ich aus eigener Erfahrung, dass es ein langer Weg ist, zu dem auch der Mut gehört, selbstkritisch eigene Strukturen und Haltungen zu hinterfragen. Hilfreich könnten hierbei Stimmen aus der Diaspora sein.

Fragen, die sich bei dem Thema stellen, sind beispielsweise,

  • Bedeutet der Abbau kolonialer Kontinuitäten eine Überwindung des Entwicklungsbegriffs für die internationale Zusammenarbeit? Wie steht es dann um Begriffe wie „Development Assistance Committee (DAC)“ der OECD? Oder die Einstufung von Ländern als sog. „Entwicklungsländer“ und den Konsequenzen einer solchen Einstufung? Was hieße das für die ODA-Statistik („Official Development Asstistance“)? Wie wird eine eventuell noch stärkere Instrumentalisierung der EZ durch Geopolitik als Folge dadurch verhindert?
  • Wie wird die erforderliche Dekolonialisierung auch der EU-EZ mit anderen EU-Mitgliedsstaaten oder auf europäischer Ebene thematisiert?
  • Müssten nicht auch Freiwilligen- und Austauschprogramme wie „weltwärts“ auf eine echte Austauschebene gehoben werden, sodass gegenseitiger Austausch gefördert wird und man auf eine Ebene von internationaler Zusammenarbeit kommt und weg von einer „Entsendung“?
  • Das Gleiche gilt für den „Senior Expert Service“: Sollten neben deutschen Expert:innen nicht genauso zu gleichen Teilen Expert:innen aus Ländern des Globalen Südens gefördert werden?
  • Müssten wir uns nicht dafür einsetzen, dass der Globale Süden in internationalen und multilateralen Formaten gleichberechtigt repräsentiert und gehört wird?

Was bedeutet „vom Globalen Süden“ lernen?

  • Bräuchte es nicht die systematische Anerkennung und Einbeziehung der Expertise indigener und migrantischer Gruppen in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), speziell der staatlichen EZ?
  • Wie können best practices aus dem Globalen Süden stärker bei in der deutschen EZ berücksichtigt werden?
  • Wie kann und soll die systematische Einbeziehung von diasporischen / migrantischen Gruppen hierzu beitragen?
  • Eine Wertschätzung von Wissen hieße auch, nicht nur ein Mal Expert:innen aus dem Globalen Süden zu konsultieren, sondern auch Feedback zu geben und Zwischenergebnisse aufzuzeigen.
  • Wie können wir noch mehr Süd-Süd- und trilaterale Kooperationen in der EZ fördern (Beispiel: Brasilien in Mosambik zu Verwaltungsmodernisierung o.ä.)?

Welche strukturellen Herausforderungen gibt es bei einer konsequenten Dekolonisierung der Entwicklungszusammenarbeit?

  • Sollte nicht auch die Entbürokratisierung von Förderstrukturen Teil des Prozesses sein, sodass auch kleine zivilgesellschaftliche Gruppen und insb. Grassroots-Organisationen gefördert werden können, wie bereits im verschiedenen Strategiepapieren zu feministischer Entwicklungspolitik dargelegt?
  • Wir bräuchten Ziele und Vorgaben zu Diversity und Vielfalt in den EZ-Strukturen wie im BMZ und in den Durchführungsorganisationen.
  • Förderanträge für Bildungs- und Kampagnenaktivitäten zu globalen Gerechtigkeitsfragen wie z.B. die Arbeit zum Lieferkettengesetz, oder die das globale Machtgefälle adressieren, müssen gezielt gefördert werden.