Anhörung: Pestizidexporte

Anhörung: Pestizidexporte

Der Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages (AWZ) beschäftigte sich in einer Anhörung mit dem Thema „Export von Pestiziden“, deren Einsatz in der Europäischen Union aufgrund ihrer Gefährdung für Gesundheit und Umwelt verboten ist. Die Anhörung machte einerseits deutlich, dass diese Praxis kontrovers ist, andererseits aber auch, wie dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Anwendung doppelter Standards zu beenden.

In der EU sind bestimmte Pestizide verboten, da sie als gesundheitsschädlich, umweltschädlich oder beides gelten. Trotzdem erlaubt die EU den Export dieser Stoffe in Länder außerhalb ihrer Grenzen, vor allem in den globalen Süden. Dort fehlen oft strenge Regulierungen, und die giftigen Chemikalien werden in großem Umfang eingesetzt. Diese Praxis führt zu erheblichen Problemen: Menschen, insbesondere Landwirt:innen und ihre Familien, erleiden Vergiftungen, Böden und Gewässer werden kontaminiert, und wichtige Ökosysteme wie etwa Bestäuberpopulationen werden massiv geschädigt.

Das Argument der Befürworter:innen, diese Pestizide seien für tropische Landwirtschaft unverzichtbar, wird von vielen Expert:innen als unhaltbar zurückgewiesen. In der Anhörung wurde darauf hingewiesen, dass es ethisch nicht vertretbar sei, gefährliche Chemikalien zu verbieten und gleichzeitig deren Export zu fördern. Deutschland und die EU riskieren durch diese Doppelmoral ihre Glaubwürdigkeit in der internationalen Zusammenarbeit.

Die Grünen im Ausschuss hatten Alan Tygel, Mitglied der brasilianischen Dauerkampagne gegen Pestizide und für Leben, als Experten eingeladen. Er beschrieb eindringlich die katastrophalen Auswirkungen, die Pestizide aus der EU in Brasilien verursachen. Brasilien, so betonte er, ist mittlerweile der weltweit größte Verbraucher von Pestiziden. Im Jahr 2022 wurden dort 800.000 Tonnen dieser Chemikalien verwendet, was eine alarmierende Zunahme an Vergiftungsfällen zur Folge hat. Nach Angaben des brasilianischen Gesundheitsministeriums wurden allein 2019 fast 8.400 Vergiftungsfälle registriert, darunter viele Kinder.

Tygel kritisierte insbesondere deutsche Unternehmen wie Bayer und BASF, die gefährliche Pestizide in den globalen Süden exportieren. Er bezeichnete diese Praxis als unmoralisch und als Ausdruck kolonialer Strukturen, bei denen der Profit über das Leben und die Gesundheit von Menschen gestellt wird. „Die gleichen Stoffe, die in Europa als zu gefährlich eingestuft werden, werden in Brasilien ohne Rücksicht auf die Folgen eingesetzt“, erklärte er. Er rief Deutschland dazu auf, den Export solcher Pestizide sofort zu stoppen und Verantwortung für die globalen Auswirkungen seiner Industrien zu übernehmen.

Dr. Silke Bollmohr vom Inkota-Netzwerk unterstützte diese Sichtweise und betonte, dass die Risiken für Mensch und Umwelt im globalen Süden oft unterschätzt werden. Sie wies darauf hin, dass Böden und Gewässer bereits stark verschmutzt sind und dass die langfristigen Schäden für die Biodiversität verheerend sind. Zudem gefährdeten Pestizidrückstände in Lebensmitteln sowohl lokale Verbraucher:innen als auch europäische Importe. Bollmohr forderte ein klares Exportverbot und erinnerte daran, dass Deutschland sich international verpflichtet habe, gefährliche Chemikalien aus dem Verkehr zu ziehen. Sie bezeichnete ein solches Verbot als einen ersten, aber entscheidenden Schritt in Richtung nachhaltiger Landwirtschaft.

Neben Tygel und Bollmohr waren weitere Expert:innen geladen, darunter Vertreter:innen der Industrie, der Wissenschaft und der Landwirtschaft. Prof. Dr. Georg F. Backhaus vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie betonte, dass die Forschung zu alternativen Pflanzenschutzmethoden intensiviert werden müsse, um die Abhängigkeit von chemischen Pestiziden zu verringern. Vertreter:innen der chemischen Industrie argumentierten, dass der Export legal sei und den lokalen Bedürfnissen entspreche, stießen jedoch auf deutlichen Widerspruch seitens der NGOs und Entwicklungsexpert:innen.

Die Anhörung machte deutlich, dass die Exportpraxis mit den Werten, die Deutschland und die EU für sich beanspruchen, nicht vereinbar ist. Während in Europa hohe Standards für den Schutz von Mensch und Umwelt gelten, werden diese Standards bei Exporten bewusst umgangen. Dies führt nicht nur zu großem Leid in den betroffenen Ländern, sondern beschädigt auch das Ansehen der EU als globaler Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und Menschenrechte.

Ein Exportverbot wäre ein starkes Signal, dass Gesundheit und Umwelt über wirtschaftlichen Interessen stehen. Es würde nicht nur die Menschen im globalen Süden schützen, sondern auch zur Förderung einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen. Alternative Pflanzenschutzmethoden, wie der Einsatz biologischer Mittel oder agrarökologische Ansätze, könnten gefördert und weltweit implementiert werden.

Die Anhörung endete mit einem klaren Appell der meisten Sachverständigen an die Bundesregierung: Die Zeit für Diskussionen sei vorbei. Jetzt sei der Moment, entschlossen zu handeln und ein Exportverbot für gefährliche Pestizide auf den Weg zu bringen. Denn nur so könne Deutschland seiner Verantwortung als Vorbild und globaler Partner gerecht werden.