Viele Einzelhändler sind wegen steigender Mietkosten oder starker Onlinekonkurrenz seit Jahren in einem Existenzkampf. Auf dem Neustädter Markt habe ich mit Akteur:innen und Bürger:innen aus Hildesheim diskutiert, wie wir unsere Innenstädte als wichtige Orte der sozialen Begegnung erhalten können.

Das Foto zeigt die Teilnehmerinnen und Gäste der Veranstaltung "So retten wir unsere Innenstädte" in Hildesheim.

Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung (1. September 2021) berichtet über unsere Veranstaltung. Wir dokumentieren den Text von Rainer Breda im Wortlaut:

“Müssen Mauern einreißen”

Die Grünen hatten die Latte hoch gelegt: Unter dem Motto „So retten wir unsere Innenstädte!“ lud der Hildesheimer Ortsverband am Montagabend zu einer Veranstaltung auf den Neustädter Markt ein. Und auch, wenn es bescheidener gewesen wäre, das Thema als Frage zu formulieren: Tatsächlich brachte das zweistündige Treffen, das trotz durchwachsenen Wetters immerhin 40 Zuhörer anlockte, gleich mehrere Erkenntnisse.

So sieht Senab Özkan, die Vorsitzende der Freundlichen Hildesheimer, die Händler auch selbst in der Pflicht: Diese müssten „endlich aufwachen“ und ihren Kunden „Einkaufserlebnisse“ schaffen. Der größte Konkurrent sei nicht das Internet, sondern die eigene Untätigkeit, erklärte die Chefin vom Handelshaus Schlegel. Hildesheim-Marketing-Geschäftsführer Fritz Ahrberg machte den Kaufleuten Mut: „Totgesagte leben länger“ – das hätten schon andere Bereiche wie die Buchbranche gezeigt. Die örtlichen Händler müssten aber ihre Stärken wie Beratung und Kundennähe mehr betonen, „da ist zum Teil ein Umdenken nötig.“ Das gelte auch für den Umgang der Händler untereinander, findet Özkan: So werde in Hildesheim zu viel in einzelnen Straßenzügen gedacht. „Wir müssen die Innenstadt als Ganzes sehen, wir müssen die unsichtbaren Mauern einreißen“, forderte die Chefin der Freundlichen Hildesheimer – und bekam viel Beifall.

Was sie denn von einer autofreien Innenstadt hielten, fragte Grünen-Fraktionschef Ulrich Räbiger, der das Gespräch moderierte. Da äußerten sich sowohl Özkan als auch Ahrberg eher zurückhaltend: Schließlich müssten auch Auswärtige in die Stadt kommen können, um dort einzukaufen, betonten beide.

Der Hildesheim-Marketing-Chef warb allerdings eindringlich dafür, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt („gern mit der Nordumgehung, auch wenn ich mir hier damit keine Freunde mache“) herauszuhalten – etwas, das sich Michael Jensen von der Initiative Neustadt für seinen Stadtteil ebenfalls wünscht. Özkan wiederum kann den Plänen der Stadt, den Verkehr auf der Schuhstraße zu beruhigen, viel abgewinnen: Dort gebe es oft Staus durch Lieferanten, für Kinder sei die Straße gefährlich. „Und ob man da wirklich 50 fahren sollte, kann man auch diskutieren.“ Die Bushaltestellen müssten aber bleiben. Die Idee, leerstehende Gewerbeflächen zu Wohnraum umzuwandeln, betrachtet die Vorsitzende der Freundlichen Hildesheimer dagegen skeptisch: Dies stehe im Widerspruch zu dem Wunsch vieler Menschen nach Ruhe.

Ottmar von Holtz warb grundsätzlich um Geduld: Die Neuerfindung der Innenstädte, wie auch immer diese vonstatten gehe, brauche Zeit, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete. Der Bund müsse den Kommunen dabei finanziell unter die Arme greifen. „Wir können die Städte und Gemeinden damit nicht allein lassen.“