Afrikanische Regisseur:innen, Künstler:innen und Musiker:innen sind weltweit oft weniger bekannt als ihre europäischen und amerikanischen Kolleg:innen. Viele Gründe dafür liegen in der Kolonialgeschichte und der Folge, dass Kunst und Kultur bis heute stark mit europäischer und nordamerikanischer, sogenannter „westlicher“ Kunst und Kultur assoziiert wird. Das ist nicht nur bedauernswert, sondern birgt auch die Gefahr, dass wir die Vielfalt afrikanischer Kunst, Kultur und Geschichte übersehen und dadurch unzählige Perspektiven aus der Gestaltung unserer Welt ausschließen. Besonders Film, Musik und Literatur spielen für Gesellschaften und wie sie sich und die Welt erfahren eine außerordentliche Rolle. Viele Menschen werden Namen wie Clint Eastwood, Miles Davis, Beyoncé oder Jane Austin kennen. Aber wer waren oder sind eigentlich Ousmane Sembène, Hugh Ramapolo Masekela, Angélique Kidjo oder Chimamanda Ngozi Adichi?
Ousmane Sembène (1923 – 2007) gilt als Vater des Kinos in Ländern Subsahara-Afrikas und ist bis heute einer der bedeutendsten Schriftsteller aus dem Senegal. Hugh Ramapolo Masekela (1939 – 2018), wichtigster Jazz- und Weltmusik-Pionier aus Südafrika, war drei Mal für einen Grammy nominiert. Er spielte nicht nur Trompete, Flügelhorn, Kornett und Klavier, sondern trat auch als Sänger auf, komponierte Lieder und schrieb Texte, in denen er unter anderem die Lebensrealität für Schwarze in Südafrika während der Apartheid kritisierte. Auch Angélique Kidjo (* 1960) ist eine afrikanische Singer-Songwriterin aus Benin. Sie erhielt bereits vier Mal einen Grammy – damit hält sie den aktuellen Rekord unter Afrikaner:innen. Etwas größere Bekanntheit, auch in Deutschland, erreichte die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie (* 1977) und das insbesondere durch ihren Ted Talk „The Danger of a Single Story“. Sie beschreibt darin, dass sie als Mädchen in Nigeria Geschichten las und später schrieb, die von weißen Kindern handelten, die in Europa aufwuchsen, im Schnee spielte, sich über das Wetter unterhielten und Äpfel aßen – Geschichten, die nicht einmal ansatzweise ihrem eigenen Leben entsprachen. Diese Leerstelle versucht die Autorin heute mit ihren Romanen zu schließen, gleichzeitig macht sie als Rednerin auf das Problem aufmerksam, dass weltweit Kinder vorrangig mit europäisch geprägten Geschichten aufwachsen.
Adichis Ted Talk heißt nicht umsonst „die Gefahr einseitiger Geschichten“. Das Fehlen ganzer Perspektiven und Lebensrealitäten in Romanen, auf Kinoleinwänden und in Kinderbüchern führt zu einem verzerrten Bild und fehlender Vorbilder für Millionen von Kindern. Veränderung entsteht nur langsam. Das einseitige, von Ländern des Globalen Nordens reproduzierte Bild des afrikanischen Kontinents als Krisenkontinent wird zunehmend zu einem zweiseitigen Bild: Afrika als Krisen- oder Chancenkontinent. Aber auch hier fehlen die Schattierungen, die Ebenen dazwischen, die Vielfalt, die Unterschiedlichkeiten und auch das Verbindende, gerade in Kunst, Kultur und Geschichte.
Für eine realistische Wahrnehmung und das Erkennen der kulturellen Vielfalt afrikanischer Staaten müssen vermehrt Stimmen gehört und in die internationale Medien- und Diskurslandschaft getragen werden, die in afrikanischen Staaten und darüber hinaus Großes leisten. Sei es in Form von Kunst und Kultur, technischer Innovation oder lokalen Lösungen für zukünftige Herausforderungen. In den letzten sieben Tagen habe ich einige, darunter die vier bereits genannten, in Social-Media-Posts der Afrikanischen Union zitiert und mit eigenen politischen Überzeugungen verknüpft, denn nur gemeinsam können wir in Zukunft unsere internationalen Ziele (z.B. die Agenda 2030 sowie das Pariser Klimaschutzabkommen) umsetzen.
Für dieses Ziel braucht es vielfältige Perspektiven, die Wertschätzung von afrikanischer Kunst, Kultur und Geschichte und ein neues Narrativ von Afrika – erzählt, vertont und verfilmt von Afrikaner:innen und genauso Vielfältig wie ihre Perspektiven, Geschichten und Lebensrealitäten.