Bei einer Podiumsdiskussion der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) wurde die aktuelle Lage in Kamerun von verschiedenen Seiten beleuchtet. Der Konflikt zwischen anglophoner Minderheit und französischsprachiger Zentralregierung hat humanitäre, historische und politische Aspekte.

Tim Richter von der DGVN moderierte die Runde, an der auch Dr. Almut Wieland-Karimi,
Direktorin des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze ZIF teilnahm.
Foto: Amelie Overmann
Der Konflikt in Kamerun ist eines meiner derzeitigen Herzensthemen. Seit ich mir mit dem Unterausschuss Zivile Krisenprävention im Dezember 2018 auf einer Delegationsreise nach Kamerun persönlich ein Bild der Lage verschafft hatte, lässt mich dieser blutige Konflikt nicht mehr los. Mehr zur Reise und zur Vorgeschichte des Konflikts könnt ihr hier nachlesen.
Bei der Veranstaltung am 22. Oktober, die von der DGVN Berlin-Brandenburg ausgerichtet wurde, berichtete ich zunächst von den aktuellen Entwicklungen. So trafen sich Anfang Oktober auf Einladung von Staatspräsident Biya einige Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und Opposition zu einem Nationalen Dialog. Positives Ergebnis des Zusammentreffens war die Entlassung von 450 Personen aus der Untersuchungshaft – unter anderem des Oppositionsführers Kamto. Außerdem wurden einige Forderungen gegenüber der Regierung aufgestellt, wie beispielsweise die schnelle Wiedereingliederung von Ex-Kombattant*innen in die Gesellschaft und die Implementierung eines Sonderstatus der zwei anglophonen Regionen.
Unabhängige Justiz wäre ein Meilenstein
Großer Kritikpunkt am Dialogprozess ist, dass die bewaffneten Kräfte aus der englischsprachigen Region Ambazonien nicht teilnahmen. Auch wenn durch den Dialog ein wenig Bewegung in den seit drei Jahren festgefahrenen Konflikt gekommen ist, darf nicht darüber hinweggeschaut werden, dass die Gewalt im Südwesten Kameruns weiterhin hoch ist. Zugeständnisse seitens Biya dürfen keine „Bauernopfer“ bleiben, um die internationale Gemeinschaft zu beschwichtigen. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in Richtung einer befriedeten Situation in Kamerun wäre u.a. die Einrichtung einer unabhängigen Justiz.
Im Anschluss berichtete Marie von Manteuffel von Ärzte ohne Grenzen von der humanitären Situation in Kamerun: Die Eskalation des Konflikts 2016 hätte mittlerweile zu ca. 530.000 Binnenvertriebene im Land geführt. Die meisten Betroffenen flüchten in die umliegenden Wälder, in denen sie von jeglicher Grundversorgung ausgeschlossen seien. Marie von Manteuffel betonte vor allem, dass der Zugang von Ärzte ohne Grenzen zu vielen ländlichen Regionen im Südwesten immer schwieriger werde. Einige bewaffnete separatistische Gruppen seien misstrauisch gegenüber den Fachkräften von Ärzte ohne Grenzen und glauben nicht an deren Unparteilichkeit im Konflikt. Deshalb greife Ärzte ohne Grenzen nun auf „Community Based Response“ zurück: Menschen aus der lokalen Zivilgesellschaft werden mit Medikamentenkoffer ausgestattet und suchen die umliegenden Dörfer auf.
Versprechen der Föderation wurde nie eingelöst
Im Anschluss gab die Historikerin Prof. Dr. Stefanie Michels von der Universität Düsseldorf einen Überblick über die historische Entwicklung Kameruns, die besonders verdeutlichte, welche katastrophalen Folgen der Kolonialismus bis heute auf dem afrikanischen Kontinent angerichtet hat. Sie zeigte anhand von Landkarten, dass Kamerun mit dem Versailler Vertrag 1919 in 1/5 britisches und 4/5 französisches Mandatsgebiet aufgeteilt wurde. 1960 erhielt das französische Kamerun nach einer Volksabstimmung die Unabhängigkeit und nannte sich von da an Republik Kamerun. Dem anglophonen Teil wurde eine vollständige Unabhängigkeit verweigert. Der nördliche Teil des britischen Mandatsgebietes stimmte deshalb für einen Anschluss an Nigeria, der südliche Teil für einen Anschluss an die Republik Kamerun in Form einer Föderation. Dieses Versprechen von 1961 wurde bis heute nicht eingelöst.
Zuletzt erläuterte Almut Wieland-Karimi vom Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF), welche Bedingungen für einen internationalen Einsatz üblicherweise gegeben sein müssen und inwieweit dies im Kontext des Konflikts in Kamerun der Fall ist: Zunächst erläuterte sie die Rahmenbedingungen eines UN-Friedenseinsatzes, der entweder eine militärische und/oder eine politische Mission haben könne. Bei einer militärischen Mission kämen die bekannten „Blauhelme“ (Peacekeeping Operations) zum Einsatz, bei einer politischen Mission würden zivile Expert*innen entsendet werden, die meist Beobachtung und Berichterstattung des kriegerischen Konfliktes zur Aufgabe haben.
Für einen UN-Friedenseinsatz im Kamerun bräuchte es ein Mandat vom UN-Sicherheitsrat, der wiederum auf die Zustimmung der Konfliktparteien angewiesen sei. Im Fall Kamerun hätte ein UN-Mandat wenig Aussicht, da es die dafür nötigen Mehrheitsverhältnisse im Sicherheitsrat (insbesondere unter den Veto-Mächten) nicht gebe. Aktuell übernehme die Afrikanische Union mit einer Multinational Task Force die Verantwortung in Kamerun. Wieland-Karimi verwies auf zahlreiche weitere Möglichkeiten eines internationalen Einsatzes in Kamerun, die bisher ungenutzt bleiben. So nannte sie beispielsweise den Einbezug der regionalen Wirtschaftsorganisation ECCAS oder das Schweizer Centre for Humanitarian Dialogue.
Ich werde die Entwicklung in Kamerun weiterhin eng verfolgen und hoffe sehr, dass sich die verschiedenen Konfliktparteien bald an einen Tisch setzen und miteinander sprechen, um zu einer friedlichen Beilegung des Konfliktes zu kommen.