Mehr ziviles Engagement und weniger Einsatz von Militär bei der internationalen Konfliktbewältigung forderte Ottmar von Holtz beim Grünen Salon in Hannover. Das Thema „Chancen und Grenzen deutschen Engagements in weltweiten Konflikten“ lockte zahlreiche diskussionsfreudige Gäste in die Üstra-Remise.

Die Stiftung Leben & Umwelt/Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen hatte zum Fishbowl-Diskussionsabend eingeladen. Nach einer kurzen Begrüßung durch Stiftungsrat Thomas Wilde gab Grünen-Bundestagsabgeordneter von Holtz den ersten Input zur aktuellen Außenpolitik und zur Krisenpräventionspolitik der Bundesregierung. Er unterstrich das finanzielle Ungleichgewicht zwischen Militärausgaben und Entwicklungshilfe: Während jährlich 42 Milliarden Euro des deutschen Haushalts in Militärausgaben flössen, würden nur 10 Milliarden Euro für die Entwicklungshilfe in die Hand genommen.

“Außenpolitik darf nicht bloß Abwehr von Migration sein”

Das führe dazu, dass deutsche Außenpolitik häufig militärisches Vorgehen erwäge, ohne zivile Handlungsoptionen auszuschöpfen, kritisierte von Holtz, der außerdem beanstandete, dass Europa Außenpolitik immer mehr als bloße Abwehr von Migration verstehe: „Es wird nicht genug gegen Umweltzerstörung, Unterdrückung und Hunger getan, sondern lieber Grenzen dicht gemacht.“ Statt Fluchtursachenbekämpfung betreibe auch das deutsche Entwicklungsministerium inzwischen Fluchtbekämpfung. Trotz seiner eher kritischen Haltung räumte Grünen-Politiker von Holtz ein: „Militär kann ein Zeitfenster für Krisenbewältigung schaffen, nicht aber den Frieden selbst.“ Deswegen forderte ich eine Stärkung der zivilen Krisenprävention gegenüber der Bundeswehr.

Im Anschluss stellte Anja Petz die KURVE Wustrow vor, deren Geschäftsführerin sie ist. Die „Kurve“ ist ein Bildungsverein, der in den 8oer-Jahren entstanden ist, sich für gewaltfreie Konfliktlösungen einsetzt und sich über die letzten Jahre weiter internationalisiert hat. Frau Petz betonte besonders die Möglichkeiten ziviler Konfliktlösung und forderte unter anderem eine Ausweitung und Weiterentwicklung der zivilen Friedensdienste. Die Bundeswehr als ultima ratio einzusetzen, gestalte sich in ihren Augen schwierig, auch deshalb, weil der Begriff und die umliegenden Umstände „ultima ratio“ so ungenau definiert seien. Zudem müssten die Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden, die später von den veränderten Verhältnissen betroffen seien: „Frieden können nur die Menschen schaffen, die ihn hinterher auch leben wollen.“

Akademie für Krisenprävention angeregt

Professor Michael Staack, der über Konzepte und Strategien kooperativer Sicherheit an der Universität der Bundeswehr in Hamburg forscht, sprach sich dafür aus, zivile Konfliktbearbeitung zu stärken, aber auch die Wichtigkeit der Bundeswehr nicht zu unterschätzen. Bezug nehmend auf Frau Petz, die kritisiert hatte, dass es eine Universität der Bundeswehr gibt, aber keine Universität für Krisenprävention, sagte er, er würde keine Hochschule fordern, sondern halte eine Akademie für geeigneter. Zudem führte Staack aus, dass unfaire wirtschaftliche Handelsbedingungen der Europäischen Union Migration förderten und damit sogar zur weiteren Krisenverschärfung beitrügen. Im Rahmen seiner Tätigkeit an der Universität der Bundeswehr stelle er zwar fest, dass die Bundeswehr in den vergangenen Jahren eine konservative Entwicklung genommen habe, lobte aber deutsche Soldatinnen und Soldaten, die „immer noch ein Abbild unserer Gesellschaft darstellen“.

In der folgenden Diskussion wurde vor allem das Zwei-Prozent-Ziel der NATO kritisch debattiert. Ein Anstieg der Militärausgaben von ungefähr 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 2 Prozent hätte zur Folge, dass man eine stärkere Waffenmacht als Russland besäße, mahnte Prof. Dr. Staack. Eine Aufrüstung in dieser Dimension sei unverhältnismäßig und überhaupt nicht notwendig. Diesem Punkt stimmten auch Petz und von Holtz zu. Die Runde war sich einig, lieber die für die Entwicklungshilfe angestrebten 0,7 Prozent umzusetzen, in der aktuell nur knapp 0,5% des Bruttonationaleinkommens ankommen. Auch beim Thema Reduzierung von Waffenexporten konnten sich die Diskutierenden rasch einigen. Ebenso müsse die Vereinbarung des Koalitionsvertrages, keine Waffen an Länder zu schicken, die im Jemen-Krieg mitkämpften, künftig unbedingt eingehalten werden.

Viele der Gäste beteiligten sich am Fishbowl-Format und nahmen die zwei freien Stühle in der Diskussionsrunde ein, sodass über das ursprünglich angedachte Ende um 21 Uhr hinaus noch viele spannende Fragen zu Deutschlands Handlungsoptionen in weltweiten Konflikten und zur Rolle der USA und Russland gestellt wurden.