Brauchen wir neue Regeln für die Organspende?“ Diese Frage stellte Ottmar von Holtz bei einer offenen Diskussion in der Hildesheimer Volkshochschule. Ob nun Widerspruchslösung oder eine andere – das Publikum äußerte den Wunsch nach mehr Transparenz und klaren Informationen, um aufgeklärte Entscheidungen treffen zu können.
Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung berichtete von der Veranstaltung. Wir dokumentieren den Text im Wortlaut:
Hildesheim. Brauchen wir eine neue Regelung für Organtransplantationen? Das war das Thema einer Diskussionsveranstaltung, zu welcher der grüne Bundestagsabgeordnete Ottmar von Holtz am Mittwochabend eingeladen hatte. Hintergrund ist der Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die bisherige Gesetzeslage so zu verändern, dass jeder, der zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht, pauschal als Spender gilt (Widerspruchslösung). Offen bleibt dabei unter Umständen das Hintertürchen, dass die Hinterbliebenen noch ein Veto einlegen können (erweiterte Widerspruchslösung). Die Entscheidung darüber im Bundestag steht noch aus.
Und die Unentschiedenen?
Auf dem Podium vertrat der Ethik-Professor Nikolaus Knoepffler von der Universität Jena die Position, die Widerspruchslösung trage dazu bei, Leben zu retten. Sie sei mit Blick auf bestehende gesetzliche Regelungen und historisch gewachsene Zusammenhänge geradezu eine „logische Konsequenz“ und könne sogar im Sinne einer allgemeinen Solidaritätspflicht diskutiert werden. Jura-Professor Gunnar Duttge von der Uni Göttingen hielt dagegen. Den Rechtsrahmen zu verändern, lasse statistisch kaum Auswirkungen auf die Zahl der gespendeten Organe erwarten, der Fehler liege eher im Organisatorischen. Duttge warnte vor einer Bagatellisierung der damit verbundenen Werte-Problematik: „Da werden eine Menge Unentschiedene einfach vereinnahmt“ – das sei in einer so sensiblen Angelegenheit nicht zu rechtfertigen.
Auch zu der Frage, inwieweit Hinterbliebene die Entscheidung zur Organfreigabe treffen sollen oder müssen, waren sich die Diskutanten uneins. Professor Georg von Knobelsdorff, Transplantations-Beauftragter am Hildesheimer Bernward-Krankenhaus, stand hier für die Praxis: Zu seinen Aufgaben gehört es, im Fall des (bevorstehenden) Hirntods eines Patienten genau solche Gespräche mit den Angehörigen zu führen.
Publikum fordert Transparenz
Spätestens in der Publikums-Runde der Veranstaltung wurde deutlich, woran es am meisten fehlt, um Bürgern überhaupt eine mündige Entscheidung in der einen oder der anderen Richtung zuzumuten: an Information, Aufklärung und Transparenz.
Das nimmt auch Organisator von Holtz für sich als Ergebnis mit: „Das Thema Organspende darf kein Buch mit sieben Siegeln bleiben.“ Wie er selbst bei der bevorstehenden Abstimmung im Bundestag votieren wird, hält sich der Abgeordnete weiter offen, zumal die genaue Formulierung und die Rahmenbedingungen des Vorschlags noch nicht bekannt seien. Die Diskussionsveranstaltung aber habe ihm die Entscheidung nicht unbedingt leichter gemacht: „Ich kann die Argumente aller Seiten in dieser Debatte gut nachvollziehen.“ Ein Grundbedenken aber bleibe ihm: „Wie die Widerspruchslösung die Akzeptanz in der Bevölkerung für das Thema Organspende erhöhen soll, das ist mir nicht klargeworden.“
Im Mittelpunkt um die derzeitige Debatte über die Neuregelung der Organspende steht die von Gesundheitsminister Spahn ins Spiel gebrachte sogenannte Widerspruchslösung, nach der jeder zunächst als Organspender gilt, es sei denn, er widerspricht aktiv der Organspende. Vielen führt das zu weit. Die alternativen Vorschläge reichen von einer direkten Ansprache, ob man Organspender werden möchte, zum Beispiel beim Beantragen des Personalausweises bis zum Beibehalten der aktuellen Regelung mit einem Organspende-Ausweis. Wenn das Gesetz zur Neuregelung der Organspende vermutlich zur Jahresmitte im Bundestag zur Abstimmung steht, stimmen die Abgeordneten nur nach ihrem persönlichen Gewissen und ohne Vorgaben der Fraktion ab.